Ich war als Kind eine Träumerin. Ich fiel in Momente, „verlor“ mich im Augenblick, vertiefte mich in Vielem was in den Momenten gerade um mich war. Es war alles was da war in dem Augenblick irgendwie ein Ganzes. Und ich fühlte alles in diesem Ganzen mit, als wäre eine tiefe selbstverständliche Verbindung da. Ich beschreibe hier kein „Schön“, sondern eher ein IST. Es umfasste einfach alles was da war. Ohne Aspekte auszublenden. Eine Träumerin zu sein, war jedoch in dieser Welt nicht wirklich mit einem Richtig gekoppelt. In dieser Welt war es wichtig, zu tun, zu funktionieren. Ich wurde öfter gefragt, in welcher Welt ich denn wieder träume oder bin.
Aber was, wenn diese Welt in der ich war, eine war, die andere nur vergessen hatten? Was, wenn sie nur vergraben war hinter all den Systemen, all den Prägungen wie ein Mensch zu sein und zu funktionieren hat. Unsere Bezugspersonen hatten uns früh nach bestem Gewissen gelernt, bewusst oder unbewusst, wie wir in dieser Welt bestehen. Die Schule lehrte uns unter anderem den Rest. Ich denke jedem fallen viele dieser Werte ein, die er aufgrund dieser Speicherungen automatisch verbindet damit wie ein guter, erfolgreicher Mensch zu sein hat. Oder eben wie er nicht zu sein hat. Viele dieser Speicherungen sind so tief verankert, dass sie uns gar nicht bewusst sind. Und doch treiben sie uns an. Lassen uns danach streben es zu erfüllen, meist unser ganzes Leben lang. Manche laufen aus Protest irgendwann auf die andere Seite, aber immer noch ist es die ursprüngliche Prägung die sie dazu veranlasst. ZB wenn ein Kind mit Nachdruck lernt sehr angepasst zu sein, kann der Mensch sich später extrem unangepasst verhalten. Es können beide Dynamiken arbeiten. Die tiefe innere Überzeugung nur angepasst richtig zu sein, und die ausgelebte Demonstration, sich dieser meist verletzenden Erfahrung als Kind zu widersetzen. Aber beide Seiten liegen der einen Speicherung zu Grunde und sind nicht frei oder heil.
Ich habe es geliebt in diesem Zustand des Träumens zu sein. Vielleicht war er das, was man heute Meditation nennt. Diese mittlerweile etablierte Technik brauchte aber wohl eine Berechtigung. Einen Namen, der jedoch leider bei vielen dahinter verbirgt dass sie etwas erreichen wollen damit. Besser zu sein. Weiter, Größer. Egal ob spirituell oder materiell. Es ist also ein Konzept geworden, mit dem wir ein Ziel verfolgen. Und so folgen wir unbemerkt wieder unseren Prägungen. Aus unserem Antrieb heraus dass wir heraus finden wollen was in uns und um uns falsch ist. Oder richtig. Um es besser zu machen. Wir wollen damit oft auch lindern, besänftigen, betäuben, ablenken, usw… uns aus einem Moment der innerlichen Unruhe oder des innerlichen Chaos herausnehmen. Ich denke das ist durchaus in Ordnung. Oft ist es sehr hilfreich. Aber ich denke wir machen uns etwas vor wenn wir dabei denken wir kommen damit ins Jetzt. Es ist doch irgendwie im Grunde das Gegenteil. Wir entfernen uns vom Jetzt, weil wir es gerade nicht aushalten oder nicht wollen. Wir sind auch nicht wirklich im Jetzt, sobald wir dem Antrieb folgen, damit etwas verändern zu wollen.
Wir sind so vielen von diesen Impulsen ausgesetzt. „Mach das, dann..!“
Wenn ich mich wieder selbst betrachte, folgte ich damals keinem dieser Impulse. Ich „träumte“ nicht, um zu… sondern ich fiel in das Jetzt das mich umgab. Mich und mein Inneres eingeschlossen. Es fühlte sich an wie eine Interaktion, eine Kommunikation mit allem was da war. Ohne ein Ziel. Es musste quasi nichts bei rumkommen. Dieses Gefühl war als Antrieb gar nicht existent. Ich hatte also keinerlei Absicht. Was meinen Eltern verständlicherweise wahrscheinlich eher nutzlos erschien, war für mich ein tiefes Eintauchen. Oder Auftauchen?
Dieses Träumen damals war wohl eher ein Wach sein wenn ich zurückfühle. Ich leitete es nicht aktiv ein. Sondern es passierte aus dem Moment heraus. Ich würde sogar sagen, eben aus dem Grund des völligen Fehlens irgendeiner Absicht. Ich sagte nie: „so, ich gehe jetzt mal ins gedankenverlorene Träumen“. Vielleicht ist aber genau das etwas, das erst in der Lage ist uns in einer Ganzheit auftauchen zu lassen. Weil jede Absicht die wir Menschen in uns tragen, unseren tiefen Prägungen zu Grunde liegt. Und diese Absicht sehr selten neutral ist. Vielleich entspringt eine Absicht nie neutralem Boden…
Sie bewegt sich meistens im Rahmen unserer ganz eigenen Dualität. Im Entweder Oder. Aber selten im freien IST.
Auch ich fand mich durch all das Erlebte und Erlernte irgendwann darin wieder. Ich wollte auf einmal etwas damit erreichen. Jemand anders werden, mein Umfeld verändern, natürlich alles unter dem Deckmantel wie kann ich die beste, oder bessere Version meiner Selbst sein. Oder wie kann ich mein Potenzial finden, mein „Licht“ leben, so dass mir Fülle, Erfolg, Leichtigkeit und Liebe zuteil wird. Ja, sogar die Liebe ist zu einem Instrument der Absicht geworden. Wir Menschen sind so triggy, in Selbstmanipulation. Ohne zu merken, was dahinter spricht. Wir können uns sogar zB einreden dass wir jetzt völlig absichtslos sind. Und merken nicht, dass wir damit genau dasselbe machen. Aus einem Konzept heraus zu agieren. Aus einer Absicht. Die Absicht, absichtslos zu sein. Aber all das können wir eben nicht willentlich herbeiführen.
Meditation ist nur ein Beispiel vieler Techniken die viele Menschen sich zu eigen gemacht haben, um das Jetzt nicht da sein zu lassen. Es gibt beinah unendlich viele Möglichkeiten, sich in „bessere“ Zustände zu manövrieren. Sich abzulenken, zu optimieren, zu beschäftigen… Aber wenn wir wirklich ehrlich mit uns sind, zeigen sich viele ungewünschte Zustände schnell wieder, wenn wir nicht ständig die gewünschten befeuern. Es ist also ein beständiger Aufwand, ein beständiges aktives Streben danach nötig.
Wie sagte Jesus? „Werdet wie die Kinder“.
Für mich fühlt sich das innerhalb des oben Geschriebenen sehr stimmig an. Weil erst wenn wir in unserer kindlichen Entwicklung unser Ich-Bewusstsein entwickeln, es ausprägen, und uns so Stück für Stück abgrenzen von der Umwelt, fangen wir an in unser persönliches Bewertungssystem einzusteigen und aus ihm heraus mehr und mehr zu agieren. Das, was wir bis dahin erlebt haben, ist dabei bereits in uns. Es ist also nicht neutral. Weil wir das übernommen haben, was wir transgenerational und in unseren ersten Jahren erfahren haben. Unser Geist, oder unser Bewusstsein ist so auf der einen Seite ein großes Privileg und Geschenk, auf der anderen Seite jedoch ist er unsere größte Hürde dabei, diesen großen Satz von Jesus wirklich wieder leben zu können.
Rumi sagt: „Jenseits von Richtig oder Falsch liegt ein Ort, dort treffen wir uns“
Was, wenn nicht ein Treffen mit jemand oder etwas im Außen gemeint ist, sondern die Begegnung mit uns selbst? Ich habe erlebt, dass es eine unglaublich große Aufgabe bedeutet, sein Bewertungssystem sich selbst gegenüber zu schauen. Und selbst wenn wir auf dem Weg soweit sind, dass wir manche unsere Bewertungen samt ihren gelebten Konsequenzen in unserem Sein und Tun erkennen, lebt dieses Konstrukt oft trotzdem noch weiter in uns innerhalb dieses Richtig und Falsch Empfindens. Wir bewegen uns meist einfach nur auf die andere Seite eines erkannten Aspektes. Bleiben jedoch weiter verhaftet im Entweder Oder.
Ich höre so oft die Sätze: „ Lebe endlich dein Licht und dein Potenzial!“
(Vorsicht Zynismus) „Ja, genau! Höre hin! Du bist noch nicht groß genug, nicht gut genug, nicht erfolgreich genug, nicht optimal genug, du bist noch keine Bereicherung für Mutter Erde, du hilfst noch nicht. Du bist noch nichts Besonderes! Aber da musst du hin! Verschwende nicht weiter Zeit und entfliehe deiner jetzigen Bedeutungslosigkeit! Erst wenn du all das bist, hat dein Leben wirklich einen Wert!“ „Mehr Fülle, Höher, Weiter, Besser, Heiliger!“ (Zynismus aus)
So, oder mit ein paar Herzchen mehr lauten doch die Botschaften.. oder nicht? Mir wird ganz unspirituell gesagt mittlerweile kotzübel wenn ich diese Dinge höre. Ich finde es schrecklich. Und es ist im Grunde dasselbe, was die allermeisten von uns sehr früh gelernt haben: „Du bist nicht richtig, es ist nicht richtig.“ "Du bist (noch) nicht gut genug gerade". Nur jetzt mit einem spirituellen Sahnehäubchen oben drauf.
Fragt mal euch selbst, ob ihr euch gerade in einer Pseudoakzeptanz befindet. „Ja, es passt schon alles so“ …und dahinter läuft die Platte: „Das was noch Unschönes da ist, wird sich bestimmt bald ändern“, "das Leben ist halt so", „ich bin ja aktiv am arbeiten dran“. „Ich akzeptiere das UNSCHÖNE“, um es dann in mein "SCHÖN" zu wandeln usw..
Und wenn ich jetzt nochmal die Aufmerksamkeit hinlenke zu dem freien kindlichem Tagträumen, dann fällt mir dieser Unterschied auf. Ohne ein Ziel gedankenverloren zu sein, ist etwas anderes. Es gibt keine Absicht dahinter dass hinterher etwas anders sein soll. Dass ich anders sein soll. Es gibt weder die Absicht etwas loszulassen, noch etwas zu erreichen. Was aber erst ermöglichen würde, dass alles wirklich DA sein darf, und wir es hören, sehen und fühlen. Loslassen und Transformation ist nichts was man „machen“ kann. Es passiert höchstens als Folge. Als Folge von der Begegnung mit dem freien IST in uns.
Was meint ihr..?